Ep. 206 - Methadon
- norbertaeppli
- 14. Aug.
- 2 Min. Lesezeit
Methadon erlebt im OP seit einigen Jahren eine bemerkenswerte Renaissance. Durch die Kombination aus starker μ-Opioidrezeptor-Wirkung und NMDA-Antagonismus bietet es die Chance, postoperative Schmerzen über längere Zeit und effektiv zu lindern und gleichzeitig den Verbrauch anderer Opioide deutlich zu senken. Ein aktuelles Review in Anesthesiology fasst die neuesten Studien zusammen und zeigt: Von komplexen Wirbelsäulen- bis zu ambulanten Eingriffen berichten viele Teams von besseren Schmerzwerten, weniger Rescue-Analgesie und einem stabilen Sicherheitsprofil. Trotzdem bremsen uneinheitliche Dosierungsempfehlungen, fehlende Standardisierung und die begrenzte Verfügbarkeit den flächendeckenden Einsatz.
Zusammenfassung / Take-Home-Messages:
Pharmakologische Vorteile: Methadon wirkt als starker μ-Opioidrezeptor-Agonist und NMDA-Antagonist, hat einen schnellen Wirkungseintritt (t½ke0 ≈ 4 min) und eine lange Eliminationshalbwertszeit (24–36 h). Dadurch kann eine Einzeldosis über den gesamten postoperativen Zeitraum wirksam sein und Folgegaben reduzieren.
t₁/₂ ke₀ bedeutet Halbwertszeit des Effektesite-Equilibrationsprozesses:
Die Zeit, die es dauert, bis die Konzentration am sogenannten Effektkompartment (dem Ort im Körper, an dem der Wirkstoff seine pharmakologische Wirkung entfaltet) zur Hälfte angeglichen ist, nachdem sich die Plasmakonzentration geändert hat.

Hier seht ihr grafisch, wie die Plasmakonzentration nach der Bolusgabe hoch ist, aber die Wirkung im Effektkompartment erst nach etwa 4 Minuten (t₁/₂ ke₀) etwa zur Hälfte erreicht wird. So wird der Unterschied zwischen Eliminationshalbwertszeit (lange Wirkung) und t₁/₂ ke₀ (schneller Wirkungseintritt) deutlich.
Bisherige Evidenz (bis 2019): Studien aus vielen chirurgischen Disziplinen (Wirbelsäulen-, Herz-, gynäkologische, ambulante und pädiatrische Chirurgie) zeigten konsistent weniger Schmerz und geringeren Opioidbedarf im Vergleich zu anderen intraoperativen Opioiden.
Aktualisierte Literatur (2019–2024):
Methodik: 926 Publikationen gescreent, 98 als relevant eingestuft, davon 41 klinische Studien (4 Metaanalysen, 14 RCTs, 19 retrospektive Kohortenstudien, 2 prospektive Beobachtungsstudien, 2 PK-Studien). 13 Studien befassten sich mit Kindern.
Metaanalysen: Methadon führte in den meisten Analysen zu niedrigeren postoperativen Schmerzwerten und teils zu reduziertem Opioidverbrauch. Kein signifikanter Anstieg von PONV, Atemdepression, Sedierung, QT-Verlängerung oder Arrhythmien. Heterogenität der Studien (verschiedene OP-Arten, Dosierungen, Analgesieprotokolle) erschwert Vergleichbarkeit.
Ergebnisse in Erwachsenen-OPs: Die Mehrheit der RCTs und Kohorten zeigte weniger Opioidverbrauch und/oder niedrigere Schmerzwerte. Einzelne Studien fanden keinen Unterschied bei Gesamtopioidbedarf, aber teils Vorteile bei Rescue-Analgesiebedarf oder Sedierungsgrad.
Pädiatrische Studien: Zeigen größtenteils vergleichbare Sicherheit und Wirksamkeit wie bei Erwachsenen, aber Datenlage begrenzt.
Sicherheitsaspekte: Schwerwiegende Nebenwirkungen selten; Atemdepression tritt am ehesten 30–45 Minuten nach Bolusgabe auf (Risikoperiode). Serotoninsyndrom möglich bei Kombination mit serotonergen Medikamenten.
Dosierungshinweise:
Klinisch relevante, länger anhaltende Analgesie tritt erst bei höheren Dosen (z. B. ≥ 0,2–0,3 mg/kg oder 20 mg bei Erwachsenen) auf.
Simulationen empfehlen bei sehr schmerzhaften Eingriffen ggf. Initialbolus plus zusätzliche kleine Bolusgaben intraoperativ oder früh postoperativ.
Barrieren für den Einsatz:
Uneinheitliche Dosierungsstrategien je nach OP-Typ und Patient.
Variierende Zielblutspiegel und Unsicherheit über optimale Serumkonzentrationen.
Eingeschränkte Verfügbarkeit der i.v. Formulierung in manchen Kliniken.
Fazit: Intraoperatives Methadon ist ein wirksames (und auch sehr billiges) Analgetikum mit gutem Sicherheitsprofil, das den Opioidverbrauch reduzieren kann. Für eine breitere Implementierung sind jedoch standardisierte Protokolle, weitere Daten zu Dosierung in verschiedenen Patientengruppen und stärkere Verfügbarkeit erforderlich.
Wir dosieren Methadon bei uns mit 0.1mg/kg eher vorsichtig und das ist auch gut so. Bezüglich Nebenwirkungen sei noch darauf hingewiesen, dass bei einer erhöhten QTc-Zeit (v.a. >500ms) und bei Kombination mit QT-verlängernden Medikamenten die Anwendung sehr zurückhaltend erfolgen soll.
In diesem Sinne...
Einen schönen Start ins Wochenende :-)



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